Passend zum Festtag „Christi Himmelfahrt“

Himmelfahrt: Der Abschied Jesu von dieser Erde führte seine Jünger in große Angst. Doch bei der Himmelfahrt werden sie gewiss: Der Weg ist gebahnt, wir leben unter offenem Himmel.

Von Peter Dyckhoff

Wie die Seele Jesu in der Ölbergstunde aufgewühlt und von Angst durchzogen war, so muss auch die Ankündigung seines Scheidens aus dieser Welt auf die Jünger gewirkt haben. Durch den Abschied Jesu droht den Jüngern die Angst vor dem Alleinsein, weil sie allein in der Welt leben müssen, wo sie keine Bleibe haben.
Die Jünger wie auch wir werden vom scheidenden Jesus aufgefordert zu glauben, weil uns die Welt der Finsternis durch ihren Hass die Geborgenheit in Jesu mystischer Gegenwart und in seinem Wort streitig machen will. Jesus verspricht den Jüngern und damit auch uns ein angstfreies Herz, wenn wir vertrauen und ihm glauben. Die Erschütterung des Herzens und damit die Angst ist das Gegenteil von Glauben. Wodurch kann es zu einer solchen Erschütterung des Herzens kommen? Durch die Verlockungen der Welt, durch Anfeindungen, falsche Entscheidungen und durch die »Abwesenheit« Jesu Christi. Diese Einbrüche in das menschliche Leben können so tief gehen, dass das Innerste, das Herz, davon betroffen wird. Gibt das Herz dieser Verunsicherung nach, entsteht Angst im Menschen. Auf ganz besondere Weise trägt die »Abwesenheit« Jesu zur Verunsicherung des Herzens und der sich daraus ergebenden Angst bei.
Wir sollten um diese Zusammenhänge wissen, dürfen uns aber von der Angst nicht bestimmen lassen, sondern müssen Jesus Christus in unserem Herzen den Vorrang geben. Ein festes Vertrauen auf den Herrn wirkt der Erschütterung des Herzens entgegen. Auch die aus dem Gebet gewonnene innere Ruhe und die Festigkeit im Glauben tragen zur Überwindung der Angst bei.
Wie soll es weitergehen? Mit dieser Situation und mit dieser Frage sind wir nicht allein. Die Jünger Jesu tragen sich mit ähnlichen Gedanken. Sie ahnen, dass Unheil bevorsteht, wenn Jesus sein Leiden voraussagt und dann als Auferstandener zum Vater heimkehrt. Sie müssen sich damit abfinden, dass sie allein gelassen werden. Es machen sich Angst und Verwirrung breit. Wie sollen wir den Weg kennen?
Der Herr überlässt uns nicht einfach unserem Schicksal, sondern zeigt einen Weg auf, indem er auf sich selbst weist, auf seinen Weg, den er geht. Wie sieht dieser Weg für uns aus? Befreit er uns von unserer Lebensangst? Die Antwort auf diese Frage ist der Herr selbst – und diese Antwort ist die Wahrheit. Man kann sie schauen. Jesus selbst ist – uns voraus – diesen Weg gegangen. Wenn wir diesen Weg betrachten, stellen wir fest: Er ist kein Ausweg, sondern sein Weg führt durch die oft bittere Wirklichkeit dieser Welt hindurch auf ein Ziel hin. Doch zunächst führt der Weg ans Kreuz. Auf diesem Weg hat auch Jesus Angst. Er fühlt, was es heißt, verlassen zu sein, ohnmächtig und scheinbar ohne Hoffnung: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Aber gerade inmitten dieses Dunkels, trotz aller Hoffnungslosigkeit und Zerstörung, bleibt ein unerschütterlicher Halt, eine Gewissheit in aller Lebensangst: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Der Vater führt ins Leben, und er lässt nicht nur seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus auferstehen, sondern auch uns. In die Auferstehung führt also der Weg, den uns Jesus weist. Dies ist weder Theorie noch irgendeine Ideologie, sondern das ist sein Leben. Darum gilt: Euer Herz sei ohne Angst. Wir dürfen aus der Garantie seines eigenen Lebens dieser Einladung folgen und ihm grenzenlos vertrauen.
Jesus kannte die Menschen, besonders die Menschen in ihrer Angst und in ihrer Sehnsucht nach Zuwendung, indem er selbst in die äußerste menschliche Angst hineingegangen ist. Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat er sie verwandelt in eine bleibende Freude. Euer Herz sei ohne Angst – in diesem Wort ist der Auferstandene ganz gegenwärtig.

Auszug aus P. Dyckhoff: Euer Herz sei ohne Angst. Media Maria Verlag 2020.

„Euer Herz sei ohne Angst“ von Pfarrer Dr. Peter Dyckhoff